Berliner Zeitung, 2008
Dass es “ornamental” und dabei nicht glimpflich zugehen wird, verrät draußen am Haus schon der Ausstellungstitel: “Parade”. Das klingt nach “prachtvoll herrichten” aber auch nach “parieren”. Von der Decke der Kunsthalle Vierseithof im brandenburgischen Luckenwalde hängt, steif wie eine Marionette, ein weißes Messgewand, wie Kardinäle es zu besonderem Anlass tragen. Das Innere Futter des Kleides trägt ein violettes Ornament, prachtvoll anzusehen von Weitem. Ganz aus der Nähe dann irritierend: das Muster besteht aus lauter Messern. Die Klingen sind gereiht wie Buchstaben, die sich zu Worten fügen – zu Befehlen, zu Dogmen, die totale Unterwerfung fordern.
Ein Stück weiter weg an der Wand sind riesige, plastisch wirkende Farbfotos platziert. Aus dem schwarzen Tschador ragt ein geschorener Männerkopf. Und daneben auf pinkfarbenen, grauen und braunen Tafeln formieren sich Kaftan-Gestalten zu Henkern, sie strangulieren andere Kaftan-Figuren, denen die Augen verbunden, die Füße und Hände gefesselt sind. Täter und Opfer sind unentwirrbar durch Seilkonstruktionen miteinander verbunden, schicksalhaft gewissermaßen. Etwas Imaginäres, Immaterielles hält sie zusammen, macht die einen gewalttätig und die anderen demütig wie Schafe. Die mit schwarzen Konturen umrissene Schablonengestalten reihen sich zu Ornamenten – gesichtslos, geschlechtslos. Normierte Wesen in einer Endlosschleife. Sie sind sämtlich völlig reduziert, wie von einem zeichnenden Computer inszeniert und auf zynische und tragische Weise mit sich selber beschäftigt. Die Figuren wurden von der Zeichnerhand in einem automatisierten Rhythmus choreografiert. Mit Stricken und Bandagen wird gefoltert, gezüchtigt, ausgepeitscht, stranguliert. Manche hängen sternförmig an Seilen. Alle stecken in einem Schema, einem System, aus dem kein Entkommen ist.
Parastou Forouhar ist die Verursacherin solch konsternierender Bildwerke. Die 46-jährige Künstlerin kommt aus Teheran, lebt seit ihrer Flucht von dort in den späten Achtzigern in Deutschland, in Frankfurt am Main. In ihrer Kunst spielt sie seither unablässig an auf die geistigen, politischen und kulturellen Werkzeuge von diktatorischen Staatswesen und Religionen an. Was sie in ihren nach dem Zusammenhang von “Ornament und Verbrechen” (Schrift von Adolf Loos, 1908) suchenden Arbeiten ausstellt, reflektiert eigene, tief persönliche Erfahrungen. Solche, die messerscharf an Wunden rühren, die der eigene Kulturkreis schlug, die immer wieder aufreißen, sobald sie ihr Heimatland – und das nie ohne Ängste – besucht. Es sind Wunden, die auch in der Wahlheimat nicht heilen können. “Ich lebe zwischen den Welten, da entsteht Leere, die muss ich füllen”, sagt Forouhar.
Weder islamistischen noch katholizistischen Eiferern dürfte diese Ausstellung sonderlich gefallen, glaubt der Mäzen der Kunsthalle Vierseithof im brandenburgischen Luckenwalde. Hotel Vierseithof-Chef, Maximilian Hägen, ein gebürtiger Bayer, hat 1997 den Kunsthallen-Förderverein mitbegründet, der aus der einstigen Turbinenhalle der stillgelegten Tuchfabrik aus der Gründerzeit eine Kunsthalle machte. Die hohen Fenster, die Deckenbalkenkonstruktion, die Jugendstilkacheln des Fußbodens erinnern noch daran. Die Halle, von der Berliner Galeristin Anke Zeisler als Kuratorin betreut, ist ein idealer, ein beliebter und begehrter Ort für moderne Kunst.
Dass die Veranstalter sich für derart Herausforderndes, auch Meinungsspaltendes entschieden, verdient Respekt. Parastou Forouhar zeigt uns auch unseren abendländischen Kulturkreis aus einer anderen Perspektive.
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