Das Werk von Parastou Forouhar reflektiert die Begegnung von Orient und Okzident, von Krisengebiet und Komfortzone, von Zwangsordnung und kultureller Freiheit. Die 1962 in Teheran geborene Künstlerin absolvierte ihre Ausbildung zunächst im Iran und setzte sie in Deutschland fort, wo sie heute lebt und arbeitet. Dabei entwickelte sie ein Werk, in dem sich die Schönheit der Ornamentik mit systemkritischen Inhalten verbindet, die ihre persönlichen Erfahrungen unter der Gewaltherrschaft des Mullah-Regimes spiegeln und zugleich einen allgemeingültigen Anspruch erheben.
Wie ein etwas ausgelassener Geist scheint die Gestalt auf unserem Plakat in einem großen Raum zu schweben. Es ist der Amtsmannsaal in Stein am Rhein – Bühne für eine geheimnisvolle Figur, die sich bei näherer Betrachtung als Frau mit schwarzem Tschador entpuppt. Vollkommen in schwarzen Stoff gehüllt erscheint sie hüpfend, tanzend, flüchtig und fremd. So erweist sich Forouhars Fotoserie „Der Himmel ist blau, das Gras ist grün und sie ist schwarz“ als geradezu perfekte Metapher für ihre Arbeit als Künstlerin zwischen den Welten: ihrem Geburtsland Iran und ihrer Wahlheimat Deutschland. Der Tschador ist dabei ein immer wiederkehrendes Motiv – als Symbol für die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen unter der Sharia, aber auch als ein mit Mustern versehenes Stück Stoff, an dessen ästhetischen Qualitäten die Künstlerin eben- so interessiert ist wie an seinen durchaus problematischen Konnotationen. Dabei ist das Orna- mentale, die strenge Ordnung abstrakter Bildelemente und ihre unendliche Wiederholung das Prinzip, das die Künstlerin in ihrem Werk ebenso nutzt wie hinterfragt. Es geht um „eine ver-meintliche, schöne Ordnung“, die mit allen Mitteln – und sei es mit Folter oder Mord – auf- rechterhalten werden muss, um das System zu sichern: „Das Ornament duldet keine Abwei- chung. Es verschleiert die Grausamkeit einer totalitären Struktur, die Abweichendes negiert und abtötet. Sie funktioniert als Bild gewordene Ideologie – eine disziplinierende (domestizierende) Autorität in der ordnenden Struktur.“ So die Künstlerin.
Dabei geht Parastou Forouhars künstlerische Analyse auf ganz konkrete Erfahrungen mit diesem System zurück. Es ist das lebenslange politische Engagement ihrer Eltern Parvaneh und Dariush Forouhar, die als Oppositionelle ins Visier der Staatsmacht gerieten und 1998 vom iranischen Geheimdienst ermordet wurden. Dieser heimtückische Mord, der in einer ganzen Reihe von Verbrechen an iranischen Dissidenten steht und bis heute nicht aufgeklärt wurde, ist ebenso Antrieb ihrer künstlerischen Arbeit wie die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung im Iran unter den Gesetzen eines totalitären Regimes. So erscheinen Mord und Folter in Forouhars digitalen Zeichnungen und Wandinstallationen als wiederkehrende Motive. Mit dieser in einem europäi- schen, weltoffenen Zusammenhang entwickelten Bildwelt besetzt sie Wände und ganze Räume, die uns gleichsam körperlich gefangen nehmen. Dabei mutet sie uns zu, dass wir die Komfortzo- ne der distanzierten Betrachtung verlassen, um in eine Welt einzutauchen, deren Grausamkeit gerade in der Ästhetik und Ordnung des Ornaments verborgen liegt.
„I Surrender / Ich ergebe mich“ ist eine ihrer bislang gewagtesten Arbeiten – eine scheinbar harmlose Luftballon-Installation, die Parastou Forouhar als Stipendiatin der Villa Massimo in Rom entwickelte und die seit 2006 weltweit immer wieder zu sehen war, so auch 2010 in einer Galerie in Teheran. Die Installation besteht aus Hunderten von bedruckten Luftballons, die unter der Decke schweben, bis man den ein oder anderen an einem schwarzen Faden zu sich heran- zieht. Dann erst erkennt man, was es mit den vermeintlichen Ornamenten auf sich hat: sie zei- gen abstrahierte Folterszenen, in denen sich die Täter mit Messern, Peitschen und anderen Fol- terwerkzeugen über gefesselte, mit Augenbinden versehene Opfer hermachen. Diese Raum- installation ist ebenso Einstieg in Forouhars neue Ausstellung in der Stadtgalerie Saarbrücken wie ihre Fotoserie „Der Himmel ist blau, das Gras ist grün, sie ist schwarz“, die unter anderem als Leuchtkastenpräsentation im Innenhof zu sehen sein wird.