Um das kuratorische Konzept unserer Ausstellung zu erläutern möchte ich gerne mit ihrer Benennung anfangen: OMID ist mein Name- Ein iranischer Name, geschlechtslos, auch wenn er häufiger Jungen gegeben wird. Allerdings möchte ich, der deutschen Bedeutung des Namens, nämlich Hoffnung folgend, die weibliche Form benutzen um der deutschen Grammatik, die mir soviel Leid zufügt auch etwas Leid zufügen.
Omid ist ein symbolischer Name. Stellvertretend für viele namenlose Schicksale sagt sie: Ich bin unerzählt in der Geschichte Irans – dem Land, für dessen Freiheit meine Eltern ihr Leben opferten, als sie so jung waren, wie ich es nun bin. Ihre Geschichte wurde mir von ihren Weggefährten erzählt, Überlebende überreichten mir ihre Geschenke. Ich bewahre sie – auch den Namen, den meine Eltern mir geschenkt haben: Omid – Hoffnung!
Die Ausstellung ist bemüht Omid und die Fassetten ihrer Geschichte hierzulande vorzustellen.
Es beginnt in der Gegenwart von Omid die nun in Europa lebt und versucht ihren Erinnerungen aus der Kindheit in ihrer Gegenwart einen Sinn zu verleihen, in dem sie sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzt, in dem sie über ihren Verlust reflektiert und dadurch zu einem Bindeglied wird, das die auseinander driftenden Zeiten und Orte zusammenhält. Damit erkennen wir in ihrer Handlung auch einen aufklärerischen und integrativen Ansatz. Diesen Ansatz zu verfolgen ist ein Ziel dieser Ausstellung.
Keramat Mehdizadeh der im langen Lauf der Vorbereitungen der Ausstellung zu meinem persönlichen Omid geworden ist und mich immer wieder in seinem wahrhaftigen Ringen mit seinem Schicksal inspiriert hat, sagt in unserem Filmbeitrag, dass er schon immer nach einer Beziehung zu seinem hingerichteten Vater gesucht hat, von dem er nur starre Bilder in seinem Gedächtnis vorfindet.
Er sagt, dass er bei seiner aktiven Unterstützung des Aufstandes im Iran im Jahre 2009 zu seinem Vater gefunden hat, dass er vorgedrungen ist zur Bedeutung des abgebrochenen Kampfes, den sein Vaters für das Recht auf politische Selbstbestimmung geführt hat.
Die Ausstellung ist bemüht die Beziehung zwischen zwei Generationen in ihrer Authentizität darzustellen. Es sind persönliche Aussagen, die die Gleichzeitigkeit von Wut und Trauer, Überforderung und Erkenntnis, Resignation und Rebellion gegenüber dem geschehenen Unrecht offen legen.
Omid kann nur bestehen, wenn sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart eine Verbindung herstellt. Nur so kann sie ihrem Namen gerecht werden und die Zukunft in Anspruch nehmen. Omid öffnet uns den Raum der Erinnerung.
Dieser Raum hat eine Schwelle. An dieser Schwelle ist die Zäsur im Leben Omids mit dem Satz: Dein Name ist Anklage, markiert. An dieser Stelle stehend werden uns Namen zugeflüstert.
Es sind Namen von abertausenden hingerichteten Andersdenkenden, von Angehörigen Omids.
Die Ausstellung setzt sich nicht mit den politischen Beweggründen dieser Menschen auseinander. Denn in dem Moment, in dem sie entrechtet in die Hände ihrer Peiniger geraten, sind sie auf ihre universellen Menschenrechte angewiesen- Grundrechte die der Unrechtsstaat Iran abstreitet. Die Anklage Omids prangert dieses Unrecht an.
Eine der geflüsterten Namen ist der von Saids Vater. In einer Vitrine liegt sein blaues Hemd an dem ein Knopf fehlt. Neben der Vitrine ist ein Schriftstück von Said ausgestellt. Darin heißt es:
Meine Erinnerungen an ihm habe ich mir selbst zusammengedichtet. Traumvorstellungen, um aus dieser Tragödie eine märchenhafte Geschichte zu bilden, die für ein Kind mehr Sinn macht als eine politisch motivierte Hinrichtung.
Ich sah meinen Vater als eine Art Ritter, mit Schwert und Rüstung, der gegen die Bösen kämpft. Dieses Bild passte mehr in die Träume eines Kindes. Ich war nicht das einzige Kind mit einem Ritter in der Familie. Sie kamen in fast jeder Familie vor, die meine Mutter und ich kannten.
In einer weiteren Vitrine ist die Uhr von Sahands Vater zu sehen. Das Armband hatte der Vater im Gefängnis aus Fasern seiner Socken gewebt. Die Uhr steht still, so wie der Zeit seines Lebens. Seine Liebe zum Leben und zu seinen Liebsten hat er in Form zweier herzförmiger Amulette hinterlassen, die nun neben seiner Uhr ausgestellt sind. Sie tragen den Namen seiner Gefährtin und seines Sohnes. Die Stunden in die er aus zwei Münzen diese Herzen herausgeschliffen hat, sind schöne Stunden die auch von seiner Uhr abgezählt wurden. Diese Schönheit, und sein Wille sie sich in der Todeszelle heraufzubeschwören sind fühlbar und überwältigend.
48 Vitrinen und 125 Exponaten sind nur ein kleiner Bruchteil von Erinnerungsstücken, zerstreut auf allen Kontinenten wo vertriebene Iraner leben. Die Ausstellung kann nur kleine Fenster öffnen zu dieser Welt. Unser Raum der Erinnerung ist nicht umfassend sondern nur stellvertretend.
Die Architektur und Gestaltung der Ausstellung hat sich zur Aufgabe gemacht, den Erinnerungen von Omid und die dazugehörigen Objekte mit angemessener Bescheidenheit und Ehrfurcht zu begegnen.
Es sind Behälter gebaut worden, groß und klein, von Licht durchflutet, um diese Objekte- diese persönlichen Schätze der Angehörigen- auszustellen. Um die Inhalte der Behälter zu betrachten, muss man auf sie zugehen, mit gesenktem Haupt den Blick auf sie richten. Kurze Erzählungen, authentische Sätze der Leihgeber, vertiefen diese Begegnung. Der gesenkte Blick schweift weiter nach unten, auf den Boden des Raumes, wo Zitate aus jener finstern Zeit zu uns durchdringen.
Ich bedanke mich, dass ich bei dieser Ausstellung mitarbeiten durfte. Danke an diejenigen, die uns ihre wertvollen Stücke anvertraut haben. Ich bedanke mich bei dem großen Team von Beteiligten, die alle mit Hingabe an dieser Ausstellung gearbeitet haben. Ich möchte mich bei den Sponsoren die die Ausstellung ermöglicht haben, bedanken.
Mein persönlicher Dank gilt unsere Bürgermeisterin Jutta Ebeling und ihrer kontinuierlichen politischen und menschlichen Unterstützung.
Ich wünsche Ihnen und unseren künftigen Gästen ein intensives Erlebnis beim Besuch unserer Ausstellung. Und wenn Ihnen auch die Trauer überkommt, so hoffe ich, dass Sie sich nicht davon überwältigen lassen und nicht bei diesem Gefühl stehen bleiben, sondern unseren tapferen Omid,- unsere Hoffnung – auf ihren Weg zu einem freien Iran, begleiten.
Omid ist schön und aufrecht auch wenn sie tiefe Wunden trägt.
Parastou Forouhar, 10. März 2012
Zu Webseite der Ausstellung OMID ist mein NAME – und der steht für HOFFNUNG