Vor einigen Tagen habe ich die Nachricht eines Einbruchs in meinem Elternhaus in Teheran erhalten. Die Person, die mir die Nachricht überbrachte, berichtet von aufgebrochenen Sicherheitsschlössern, gesägten Eisengittern an der Haustur, verwüsteten Räumen, leer geräumte Regale und Schränke, auf dem Boden liegende Bücher, Dokumente und Gegenstände.
Ich habe noch nicht das Geschehene gesehen. Aber die Bilder der Verwüstung und Plünderung dieses Hauses kenne ich aus den Jahren zuvor; Bilder die ein politisches Verbrechen bezeugen und sich nun wiederholen.
Im Jahre 1998, in der Nacht des 22. November, als die leblosen Körper von Dariush und Parvaneh Forouhar aus diesem Haus heraus getragen worden sind, haben die Sicherheitskräfte, unter dem Vorwand der Untersuchung des Tatorts, das Haus beschlagnahmt. Erst nach zehn Tagen und nachdem die Protestrufe laut geworden sind, wurde das Haus meinem Bruder und mir zurückgegeben. Als ich das Haus an dem Tag der Rückgabe betrat überwältigte mich der pochende Schmerz, der in diesem Ort pulsierte. Meine Schritte fühlten sich an, als würde ich die Wundmale eines großen mütterlichen Leibes berühren. Verwüstung und Plünderung zeigte sich offen und unverschämt. Auch an diesem Tag waren die Inhalte der Schränke und Regale herausgerissen worden und überall auf dem Boden lagen Papiere, Zeitungen, Bücher und persönliche Gegenstände meiner Eltern.
Die Ermordung von Dariush und Parvaneh Forouhar, die Plünderung ihres Hauses und die Beschlagnahme ihrer politischen Dokumente und Archive hatten das Ziel ihre Präsenz zu erlöschen. Doch im Laufe der Jahre ist ihr Haus zu einem Ort des Erinnerns geworden; Erinnern an das politische Vermächtnis zweier Freiheitskämpfer, Erinnern an das politische Verbrechen die sie zum Opfer fielen, Erinnern an einem unvollendeten Aufklärungsprozess und die Verantwortung diesen fortzusetzen. In diesem Sinne hat das Haus den Charakter eines Zeitzeugen bekommen. Jeder Einbruch an diesem Ort des Erinnerns könnte als ein Angriff auf das kollektive Gedächtnis der Iranischen Gesellschaft verstanden werden.
Nun werde ich nach Teheran reisen um mein Elternhaus aufzusuchen, um die Spuren des Einbruchs zu dokumentieren, um die herumliegenden Papiere, Dokumente und Bücher aufzusammeln und wieder zu ordnen, um mich um die Gegenstände zu kümmern und sie an ihren Platz zurückzustellen. Der eingereichten Klage bei der Polizei werde ich ebenfalls nachgehen, wohl wissend, dass bei solchen juristischen Prozessen innerhalb eines Machtapparats wie der Islamische Republik Irans, der sich nicht der Wahrheit und der Rechtstaatlichkeit verpflichtet und Vertuschung und Verwischung als Methode anwenden wird.
In der Hoffnung auf bessere Zeiten und mit freundlichen Grüssen
Parastou Forouhar